Die alte Straßenbahn und der Zug von Sóller

"Roter Blitz" lautet gelegentlich in Touristenkreisen die Bezeichnung für den historischen Zug "Tren de Sóller". Es empfiehlt sich jedoch, diesen Begriff nicht allzu wörtlich zu nehmen. Schnell wie ein Blitz ist die alte Eisenbahn beileibe nicht unterwegs. Im Gegenteil, den Fahrgästen bleibt nichts anderes übrig, als dass sie Geduld mitbringen, weil das antike Gefährt in gemächlichem Tempo durch die Landschaft rollt. Zum Ausgleich erweist sich jede Minute Aufenthalt in der Schmalspurbahn als reines Vergnügen. Vorbeiziehende Berge, Täler, Pinienwälder, Mandelplantagen, Zitronen-, Orangen- und Olivenhaine laden zum Träumen ein. Rot ist die Bahn übrigens auch nicht. Die Waggons bestehen aus naturbelassenem Holz, teils ergänzt mit orangefarbenen Akzenten. Im Inneren überwiegen die Materialien Holz, Messing und Leder. Nach Eröffnung der Bahnstrecke im Jahre 1912 zunächst von einer Dampflok gezogen, fährt die mallorquinische Bummelbahn seit 1927 mit Strom.

Blick von Soller
Ein Blick vom Strand auf Soller

Romantischer Ausflug in die Vergangenheit

Alle, die gelegentlich einen Hang zur Nostalgie verspüren, kommen während der Fahrt von Palma nach Sóller, oder umgekehrt, voll auf ihre Kosten. Selbst in den Bahnhöfen hat es den Anschein, als sei die Zeit stehengeblieben. Die 27 km lange Trasse im Nordwesten der Baleareninsel durchquert die Serra de Tramuntana in südlicher bzw. nördlicher Richtung. Glücklicherweise konnte das zum UNESCO Welterbe erklärte Gebirge seinen urwüchsigen Charakter bis heute bewahren. Zerklüftete Grate und wilde Schluchten erforderten einst den Bau von 13 Tunneln und mehreren Brücken, damit die Bahn die Strecke passieren kann. Zu den Höhenpunkten der Tour mit atemberaubender Kulisse zählt die Fahrt über das Viadukt "Cinc-Ponts". Das Tragwerk dieser imposanten Überführung setzt sich aus fünf gemauerten Bögen zusammen.

Der Zug in Soller
Romantik pur: Der Zug in Soller

Vom Güterzug zur Attraktion für Urlaubsgäste

Bevor Mallorca zum Touristenmagneten avancierte, diente der "Tren de Sóller" vorwiegend dem Transport von Orangen, Oliven und anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen. "Valle del oro" (goldenes Tal) heißt die Gegend um Sóller, als Hinweis auf die Fruchtbarkeit des Bodens und reiche Ernten. Leider war das Tal wegen des unwegsamen Geländes der Serra de Tramuntana von der Hauptstadt und den restlichen Inselregionen so gut wie abgeschnitten. Erst nach Realisierung der Bahntrasse bereitete die Beförderung der Früchte nach Palma keine Schwierigkeiten mehr.

Bild vom Bahnhof in Soller
Willkommen in Soller!

Mit der alten Straßenbahn von Sóller bis ans Meer

Die Linie des "Roten Blitzes" endet im Bahnhof von Sóller. Von hier aus sind es noch etwa 5 km bis zum vorgelagerten Hafen. Passagiere, die bis Port de Sóller weiterfahren möchten, müssen am Bahnhofsvorplatz in die "Tramvia de Sóller" umsteigen. Zur Bauzeit der Trasse erhielten nur Strecken über 30 km Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln. Um die Subventionen einzukassieren, wurde der sogenannte "Orangen-Express" kurzerhand mit Hilfe einer Straßenbahnlinie bis zur Küste verlängert. Über die Plaça de sa Constitució im Zentrum von Sóller, vorbei an Geschäften, Straßencafés und Palmen, führt nun der Weg durch eine wunderschöne Kulturlandschaft bis nach Port de Sóller. In einer nahezu runden Bucht gelegen, präsentiert sich der Küstenort nach etwa 15 Minuten Fahrzeit mit seiner prächtigen Hafenanlage inklusive Leuchtturm und Promenade.

Die alte Straßenbahn von Sóller verfügt teilweise über Triebwägen und Anhänger, die aus der Gründungszeit stammen. Andere Waggons waren vorher in Lissabon im Einsatz und wurden passend zur Spurbreite umgebaut. Im Sommer finden offene Wägen großen Anklang, denn der faszinierende Landstreifen bietet nicht für das Auge, sondern gleichfalls für die Nase betörende Reize.

Sóller und Port Sóller

Urlauber mit Sinn für Ästhetik empfinden Sóller als Insidertipp. Enge Gassen, landestypische Häuser, Sehenswürdigkeiten und Berge am Horizont ergeben ein einzigartiges, maritimes Flair. Die Gemeinde, zu der die Ortsteile Biniaraix, L'Horta und Port de Sóller gehören, wird nach wie vor nicht massenweise von Besuchern überschwemmt. Sportaktive nutzen die Serra de Tramuntana für ausgedehnte Trekkingtouren, während Naturliebhaber den Botanischen Garten und die Vegetation der Gegend erkunden. Eine Vielfalt an Eindrücken hält insbesondere für Individualisten einen Reigen an Inspirationen bereit.